Musik verbindet, lässt uns tanzen und mitsingen, manchmal weinen. Sie bahnt sich ihren Weg in die tiefsten Sphären unseres Bewusstseins und berauscht unsere Sinne, lässt Erinnerungen wiederaufleben und mobilisiert Tausende von Menschen. Sie bringt uns wieder zusammen und schafft Superlative. Sei es das Benefiz-Konzert des US-amerikanischen Folk-Rock-Duos Simon & Garfunkel, als sich über eine halbe Millionen Menschen im Central Park zusammenfanden und zu den Klängen von The Sound of Silence die Wiedervereinigung von Paul Simon und Art Garfunkel feierten. Oder als Dekaden geprägt wurden, wie 1969 beim Woodstock-Festival nahe der Kleinstadt Bethel im US Bundestaat New York, 70 Kilometer südwestlich vom namensgebenden und ursprünglich geplanten Festivalgelände Woodstock. Das Open-Air-Festival war nicht nur der Höhepunkt der im Mainstream angekommen Hippie Bewegung – sondern zugleich auch ihr Finale. Doch bei der folgenden Liste geht es nicht um Superlative, es geht um die ganz intimen Momente, in denen man am Morgen mit einer Tasse Kaffee und dem obligatorischen Spiegelei die Erinnerungen des gestrigen Abends Revue passieren lässt.
JOHNNY CASH – FOLSOM PRISON BLUES
Cash schrieb den Song während seiner Zeit bei der US Airforce als er in Landsberg am Lech stationiert war und nachdem er den Film „Inside the Walls of Folsom Prison“ aus dem Jahr 1951 gesehen hat. Dieser wird zur Inspiration für seine Liedzeilen. Den Großteil des Textes entnahm er jedoch wörtlich aus dem Stück Cresent City Blues von Gordon Jenkins aus dem Jahr 1953, wurde dafür wegen Plagiats verklagt und musste 75.000 Dollar an Jenkins zahlen. Cashs neue Darbietung im Folsom State Prison erreichte Platz eins der Country Charts und 1969 erhielt er sogar einen Grammy Award in der Kategorie Beste Männliche Gesangsdarbietung – Country.
Der Song vereint zwei bekannte Motive des Folk, beziehungsweise der Country Musik: Sträflinge und Züge. Der namenlose Protagonist erzählt, dass er lebenslang im Folsom Prison einsitzt, weil er einen Mann in Reno erschossen hat, nur um ihn sterben zu sehen („Well i shot a man in Reno, just to watch him die“). Diese Zeile ging aufgrund ihrer Banalität in die Geschichtsbücher ein. Bei der Live-Aufnahme des Konzerts im Folsom Gefängnis in Kalifornien wurde nach dieser Zeile ein nachträgliches Jubeln eingefügt. In Wirklichkeit herrschte komplette Stille, da die Inhaftierten Angst vor der grausamen Bestrafung der Wärter hatten. Die Mittelpunktfigur stellt sich im Lied vor, mit dem Zug, den sie aus der Ferne hört, in die Freiheit zu fahren. Jedoch spricht der Protagonist auch davon, dass es ihn geistig foltert darüber nachzudenken, wie die wohlhabenden Leute Kaffee trinkend und Zigarren rauchend im Erste-Klasse-Abteil säßen. Er hasst es im Gefängnis zu sein, doch er weiß genau, dass er dort hingehört. Seine Mutter sagte ihm doch einst: „Always be a good Boy, don’t ever play with guns.“
A$AP ROCKY – EVERYDAY
„Ich hasse diese Songs… Wenn sich die Leute an mich erinnern, sollen sie an etwas Ehrenwerteres denken, als das“, so A$AP Rocky in einem MTV-Interview. Zu bequem erschien die Ausgangslage, die sich „Pretty Flacko“ mit trivialen Clubhits wie Fuckin‘ Problems oder Wild For The Night schuf. Er veröffentlichte den Song Everyday am 8. Mai, früher als geplant, um die Fans für die Verspätung des kommenden Albums „Long.Live.A$AP“ zu entschädigen. Es featured bekannte Sänger wie Rod Stewart, Miguel und Mark Ronson. Er schlägt mit diesem Lied für das ganze Album eine andere Richtung ein und bewegt sich bewusst aus seiner Komfortzone als Trap Lord – ein Titel, der ohnehin längst seinem Label Kollegen A$AP Ferg gebührt.
Ein wesentlicher Punkt zieht sich jedoch weiter durch das Schaffen von Rocky: LSD und andere Drogen. „Hypnosis overdose on potions, adjusting to the motions and getting out my emotions.“ LSD ist tatsächlich auch das Stichwort, das den psychedelischen, diesigen und repressiven Sound des Liedes am besten erklärt: Es handelt von dem sorgenfreien Leben ohne Verpflichtungen und Probleme, hauptsächlich bestehend aus der Jagd nach der großen Party und suchend nach dem Sinn hinter all dem.
„Everyday I spend my time drinking wine, feeling fine. Waiting here to find a sign that I can understand, yes I am”
Doch letztendlich ist es ihm egal, er gibt die Suche auf und sich mit dem täglichen Trott seines Alltags zufrieden.
„But i don’t need love no more, i’ll be fine, sipping wine, taking time slow“
RIN – ARETHA FRANKLIN FREESTYLE
Spätestens seit dem Lied Bianco, welches er zusammen mit Österreichs Cloudrapper Yung Hurn aufnahm, ist der Cornrows-Träger aus Bietigheim-Bissingen auf den Musikblogs angekommen. Die Themenpalette ist so eng geschnürt, wie der Bund seiner Gosha-Rubchinsky-Jogger und spätestens nach dem dritten Track scheint man zu wissen, wo es langgeht: Fashion-Referenten en Masse, sowie Gejammer über Liebe und Shawty, Hass und Narkotica. Zeilen wie im Lied Aretha Franklin Freestyle: „Scheiß auf Exen, zeig ihn’n, dass sie alle Dreck sind. Sag, „Action“, und wir beide dreh’n ein’n Sexfilm“, sorgen zumindest für Stirnrunzeln. „Leute können bemängeln was sie wollen: Soundästhetik, Technik, Lyrik. Aber keiner kann mir sagen, dass meine Musik nicht gefühlvoll ist. Gefühl steht bei mir über allem,“ so RIN.
Und genau das ist der Punkt. Es geht nicht um die ach so vielsagenden Lyrics, die ohnehin einen extrem großen Interpretationsspielraum bieten und das Aneinanderreihen von viersilbigen Doppelreimen. Man hat mit RIN einen Künstler, der einfache Repetitionen mit ebenso eingängigen Melodien zusammenbringt und damit das erzeugt, was ein gutes Rap-Album heutzutage ausmacht: Vibe. RIN ist sozusagen die Galionsfigur der neuen Deutschrap-Schule und Ausdruck der dadaistischen „Ich mach, was ich will“-Attitüde und verkörpert das, auf was es heutzutage ankommt: echt sein.
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